Nachschlag
Die Kolumne von Ingmar Nehls
Geschmack ist Kontextsache
Man kann viel darüber diskutieren, welche Vorteile ein Gasherd gegenüber einem Induktionsherd hat, ob und wie lange ein Wein atmen muss. Alles schön, alles richtig. Essen lebt aber ganz wesentlich von Inszenierung. Das Drumherum und der Zeitpunkt bestimmen, ob etwas mundet oder nicht. In einer gemütlichen Runde am Lagerfeuer schmeckt ein angebrannter Knüppelkuchen gut. Denkt man sich das knisternde Feuer und die strahlenden Kinderaugen aber mal weg, dann bleibt ein verkohlter harter Teigklumpen übrig. Geschmack ist stets die Summe eines Sinnesspektakels. Aus dem Kontext herausgerissen ist eine Stadionwurst nur eine fettige Bratwurst, meist überteuert und zu lange flambiert. Popcorn schmeckt im Kino immer besser. Nur im Flugzeug trinken Leute Tomatensaft. Kalte Eier pellt man nur beim Wandertag gern ab und Apfelschorle schmeckt nur nach dem Sport. Stichwort: Handwerkerbier oder Bauarbeitermarmelade. Dass es bei Mutti am besten schmeckt, muss nicht allein an den Kochkünsten der Mama liegen. Das würde mich bei einigen Bekannten jedenfalls erschüttern. Gern mischen sich Nostalgie, Ostalgie und Heimatgefühle in unser Essen. Anders ist der Erfolg von Jägerschnitzel mit Nudeln und süßer Tomatenpampe nicht zu erklären. Macht‘s euch also schön und esst, wonach euch ist. Gern saisonal. Also Fleisch aufm Grill von Februar bis November. Hauptsache ihr habt Spaß.